Daten sind für Unternehmen von immer größerer Bedeutung und das gleich in vielerlei Hinsicht: Da sind die Kundendaten, die einen Bedeutungsgewinn erfahren und zu einem echten Produktionsfaktor werden. Da ist der Datenschutz, der mit immer schärferem Auge darüber wacht, wie Daten erhoben, verwaltet und genutzt werden. Und da sind Technologien und Anwendungen, die zu immer mehr Daten führen – so viele, dass herkömmliche Erfassungssysteme in die Knie gehen.
Niemand kann die Datenströme wirklich quantifizieren.
Seriöse Schätzungen aber vermuten, dass sich das weltweite Datenvolumen alle zwei Jahre verdoppelt. Kein Wunder also, wenn von ‚Big Data‘ die Rede ist. Das meiste davon hat aber nichts mit realen Menschen zu tun und oft auch nur ganz entfernt mit Marketing. Da werden Telefonverbindungen erfasst, Börsentransaktionen oder Forschungsergebnisse der Kernphysik.
Was letztendlich an Daten übrig bleibt und etwas mit Kundenbeziehungen zu tun hat, ist immer noch mehr als menschliche Hirne analysieren und selektieren könnten. Machen wir uns doch nur klar, dass in der Zeit, die Sie inzwischen mit dem Lesen dieses Beitrags verbracht haben, knapp 100 Stunden Videos ins Netz geladen und etwa 400.000 Tweets geschrieben wurden. Technik ist also gefragt; ohne sie sind die besten Datensammlungen nur eine unidentifizierbare Masse von Nullen und Einsen. Aber genau diese Technik ist es auch, die für immer mehr Information sorgt.
Gab es im Krämerladen an der Ecke lediglich ein Gesicht und einen (Nach-)Namen, kam später zunächst eine Adresse, dann eine Telefonnummer hinzu. Heute gibt es bei einzelnen Zielgruppen ein Dutzend oder mehr Möglichkeiten, den Kontakt herzustellen. Die Zahl der potenziellen Plattformen zum Austausch von Informationen wächst geradezu exponenziell. Und auf jeder tauchen neue Personen auf, deren Zuordnung uns schwer fällt oder gar unmöglich ist: Woran sollen wir erkennen, dass ‚Pauline56‘, die gerade auf einer Ratgeberplattform unseren Kundenservice lobt, im realen Leben unsere langjährige Kundin Birgit Meyer ist?
„ Sammelwut und technische Aufrüstung alleine schaffen keinen Nutzen (…) es gilt schon beim Input eine Auswahl zu treffen.“
Sicher ist nur, dass der Versuch, alles und jeden zu speichern, zu analysieren und in Aktionen umzuwandeln von vorne herein zum Scheitern verurteilt ist. Und dennoch wird es versucht. Insbesondere die technikgetriebenen Anbieter von Hard- und Software versprechen eine lückenlose Verfolgung aller Datenspuren. Das erscheint schwer vorstellbar, denn gerade in einem Unternehmen, dessen Absatz auf vielfältigen Vertriebskanälen fußt, fallen keine homogenen Daten an. Letztendlich müsste das System auch mit dem handgeschriebenen Bestellfax fertig werden.
‚Big Data‘ kann auch einen anderen besonders in Deutschland wichtigen Aspekt nicht ausblenden: den Datenschutz. In kaum einem anderen Land der Erde sind die persönlichen Daten bis hin zur bloßen Adresse ein so heiliges Gut. Solange nicht nur Daten- und Verbraucherschützer das Gebaren multinationaler Anbieter wie Google oder Facebook mit großer Skepsis verfolgen, wird sich daran auch wenig ändern.
Betrachtet man ‚Big Data‘ aber aus einem anderen Blickwinkel, so kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass Nachdenken und Planen könnten noch viel stärker helfen, die Daten in den Griff zu bekommen. Wenn man sich nämlich mit den Fragen beschäftigt, was will ich eigentlich mit den Daten machen, welche Ziele verfolge ich und welche Zielgruppen spreche ich an, dann schrumpft plötzlich der Datenberg auf eine deutlich handlichere Größe. Selbstverständlich stellen die verbleibenden Mengen immer noch eine Herausforderung für die Datenverarbeitung dar – sie sind aber handhabbar. Moderne technische Lösungen sind in der Lage alles in einem System zusammenzuführen. Vorausgesetzt natürlich, man beschäftigt inhouse oder extern Personen, die etwas von dieser Materie verstehen. Ein zunehmendes Problem, denn die Zahl der Spezialisten wächst längst nicht in dem Maße wie das Datenvolumen.
Sammelwut und technische Aufrüstung allein schaffen keinen Nutzen. So wie wir seit langem das Combi-Channel-Marketing, also die Auswahl der relevanten Ansprachekanäle, propagieren und planloses Multichanneling ablehnen, so gilt es auch beim Input eine Auswahl zu treffen. Wo finde ich meine Zielgruppe, wo sind die Key-Player und ihre Austauschplattformen? Wo bekomme ich mit vergleichsweise überschaubarem Aufwand die wesentlichen Informationen von meinen und über meinen Kunden? Das sind die wichtige Leitfragen, mit denen auch ‚Big Data‘ seinen Schrecken verliert und zu einem sinnvollen Tool zur Steuerung des Marketings wird.